Handwerk trotzt Corona

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Vadim Mammadov näht Schutzmasken

Auf die HWK-Blitzumfrage zu den Folgen des Coronavirus fürs Handwerk schrieb Vadim Mammadov, der in Münster die Schneiderwerkstatt „Nähknecht“ betreibt: „In diesen nicht einfachen Zeiten wie heute, bin ich gezwungen mein Atelier leider vorübergehend zu schließen. Gerne möchte ich jedoch mit meinem Beitrag uns alle unterstützen. Aus den Medien und meinem Umfeld weiß ich, dass sich Ärzte und Pfleger im Notstand befinden und es an Hilfsmitteln wie Mundschutz und Schutzbekleidung fehlt. Die Hersteller kommen mit den Lieferungen nicht hinterher. Gerne möchte ich mit meinem Beitrag uns alle unterstützen und biete hiermit meine Hilfe an. Ich bin bereit, die Hilfsmittel in meinem Atelier zu nähen, soweit es meine Kraft erlaubt. Mit den erforderlichen Materialien müsste ich allerdings ausgestattet werden, damit alle Richtlinien von mir eingehalten werden können. Es wäre mir eine Ehre die Stadt Münster in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen!“ Bis Kliniken sein Angebot annehmen möchten, näht Mammadov Gesichtsmasken, die er alten und bedürftigen Menschen schenken will. Auch eine Arztpraxis mit Bedarf hat sich schon bei ihm gemeldet. Weißen Baumwollstoff spendete Schneidermeisterin Cäcilia Niewerth. Die Inhaberin eines Stoffgeschäfts in Senden fand seine Idee in den Sozialen Medien und unterstützt sie. Das Bild zeigt Vadim Mammadov durch die Fensterscheibe seines Ateliers. Er trauert selber um einen befreundeten Kollegen, der vor wenigen Tagen im Alter von 38 Jahren in Italien an „Covid 19“ verstorben ist.

 

"Wir liefern!"

"Wir liefern!"
Als der Einzelhandel Mitte März wegen der Corona-Schutzmaßnahmen weitestgehend schließen musste, hatte die Zweiradsaison gerade erst begonnen und war die Neuware im Fahrradgeschäft „Drahtesel“ in Münster frisch eingetroffen. Im ersten „Shutdown-Schreck“ schrieb Inhaber Raimund Gerwing spontan mit weißer Wandfarbe „Wir liefern!!“ aufs Schaufenster. Mit Stamm- und Neukunden kommunizierte der Betrieb über Telefon, E-Mail, soziale Medien und die Internetplattform „muensterbringts.de“. Der Service der innerstädtischen Lieferung von Fahrradzubehör per Lastenrad kam ebenso gut an wie ein Fragebogen für den Radkauf auf der Firmenwebsite. Mitarbeiter der geöffneten Werkstatt stellten auf Basis der Antworten kontaktlos passende Angebote vor die Tür und Kunden holten ihre Wahl persönlich mit dem gebotenen Abstand ab. Auf Wunsch wurden auch Räder nach Hause gebracht. Nachdem der Umsatz zunächst auf Null abgestürzt war, kletterte er später auf 60 Prozent vom Normalniveau. „Kurzarbeit konnte damit verringert werden“, so Gerwing. In der unfreiwilligen freien Zeit installierte „der Drahtesel“ eine neue EDV-Anlage. Gerwing war sicher: „Der erfolgreiche Lieferservice wird nach der Ladenneueröffnung nachjustiert.“

 

Haare schneiden mit Abstand und Hygieneregeln

Haare schneiden mit Abstand und Hygieneregeln
Wie alle 2.053 Friseurbetriebe im Kammerbezirk Münster durfte auch Friseurmeister Sven Arrivabene seinen Salon in Gelsenkirchen nach sechs Wochen Lockdown am 4. Mai wieder öffnen. Wegen des Abstandsgebotes von eineinhalb Metern kann Arrivabene seitdem nur die Hälfte der sonst üblichen Zahl von Kunden gleichzeitig einlassen. Das muss betriebswirtschaftlich aufgefangen werden. Deshalb verdienen momentan alle fünf Mitarbeiter nur 70 Prozent ihres üblichen Gehaltes. „Ich verzichte ebenso auf 30 Prozent des Geldes, das ich mir selbst auszahle“, sagt der Unternehmer. Er öffnet länger, jetzt auch montags. So lassen sich mehr Kunden bedienen. Sven Arrivabene arbeitet außerhalb der eigentlichen Öffnungszeiten weiter und merkt: „Das wird gut angenommen. Bislang hatten alle Kunden Verständnis für die strikten Hygienemaßnahmen.“ Angst vor einer möglichen Ansteckung hat er nicht, lässt aber Vorsicht walten.

 

Hut ab vor den Fachkräften im Verkauf

Hut ab vor den Fachkräften im Verkauf
Für Bäckereien, Konditoreien und Fleischereien gab es keinen Corona-Lockdown. Sie hatten die ganze Zeit über geöffnet und dienten der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung. Aber auch für sie ist diese Phase voller Herausforderungen. „Unser Umsatz brach um 30 Prozent ein, 20 Prozent Kurzarbeit wurden eingeführt. Die Großverbraucher fielen weg, der Cafébereich war erst geschlossen und kann auch danach nur zu einem Bruchteil genutzt werden“, sagt Bäckermeister Georg Krimphove, der mit seinem Sohn Christopher Krimphove (Bild) Inhaber von „Der Gute Bäcker H. Krimphove“ in Münster ist. Aber er wolle nicht klagen, betont der Seniorchef: „Es ist gerade nicht vergnügungssteuerpflichtig. Aber wir kommen da durch.“ Er ziehe den Hut vor seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verkauf, die die ganze Zeit über Backwaren über die Ladentheke reichten, selbst als es noch keine Infektionsschutzscheiben, Abstandsregeln und Maskenpflicht gegeben habe und als die Ansteckungsgefahr höher gewesen sei, so Krimphove. Er führte auch einen Lieferservice ein, mit dem Einkäufe für alle erledigt werden können, die nicht raus möchten, können oder sollen.

 

Waschbeckennot macht erfinderisch

Waschbeckennot macht erfinderisch
Als Dagmar Müller von der Coronaschutz-Vorgabe hörte, dass sich alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse nacheinander die Hände waschen sollen, kam sie auf eine Idee: Mit zusätzlich aufgestellten mobilen Waschtischen ließe sich die Zeit für die ganze Prozedur verkürzen. Müller ist Projektmanagerin bei dem Maschinenbauunternehmen Laubinger + Rickmann in Nordwalde. Dort schlug sie das neue Produkt vor.  Normalerweise baut der Handwerksbetrieb computergesteuerte Anlagen. In der Konstruktionsabteilung war aber gerade Leerlauf, weil auch Aufträge aus dem In- und Ausland in den Lockdown gingen. Zwei Tage  später hatten die Konstrukteure den Prototypen samt Spender für Wasser, Papierhandtücher und Seife fertig gebaut. Das Wasser fließt über den Anschluss an eine Leitung, wenn ein Schalter mit dem Knie berührt wird. Die Bezirksregierung vermittelt die mobilen Waschtische auf Anfrage an Schulen. Auch das NRW-Schulministerium wurde auf die Idee aufmerksam.

 

GEP digital: erfolgreiche Weiterbildung für Betriebe

GEP digital: erfolgreiche Weiterbildung für Betriebe
Der Maschinenbaubetrieb Geotec-Bohrtechnik aus Nordkirchen will seine betrieblichen Prozesse weiter verbessern. Das Unternehmen hat sich in einer Schulung für ein Programm qualifiziert, mit dem Abläufe in  der Produktion visualisiert werden können. Die erfolgreiche Weiterbildung dokumentiert eine Urkunde, die Geschäftsführer des Unternehmens, Norbert Zumholz, entgegennahm. Die HWK ist Koordinator des  Projektes, mit dem kleine und mittlere Unternehmen ihre betrieblichen Abläufe verbessern können. Der Bohrtechnik-Spezialist Geotec gehört zur ersten Gruppe der Betriebe, die das INTERREG-Projekt mit der Bezeichnung „GEP digital“ umsetzen. GEP steht für „grenzenlos -effizient – produktiv“ und richtet sich an Handwerksbetriebe im deutsch-niederländischen Grenzraum des Münsterlandes und der Provinzen  Overijssel und Achterhoek. Durch den Zusatz „digital“ wird deutlich, dass die Teilnehmer auch auf dem Weg in Richtung Digitalisierung unterstützt werden. Geotec gehört mit 100 Mitarbeitern zu den großen Arbeitgebern in der Region. Ein Check, an dem die Firma bereits teilnahm, kam zu dem Ergebnis, dass Geotec-Bohrtechnik gut aufgestellt und auch für die Zukunft gerüstet ist. Der Check hat aber auch  Verbesserungspotenziale gezeigt. Jetzt gehe es darum, noch besser zu werden. „GEP digital“ soll das unterstützen.

 

Existenzgründung mit Optimismus

Existenzgründung mit Optimismus
Mitten im Lockdown beschlossen Maurermeister Maximilian Filoda (l.) und Marcel Schmitz (r.), ihre Pläne durchzuziehen: Als Duo machten sie sich am 2. April mit dem Bauunternehmen M2Bau in Billerbeck selbstständig. „Kurz haben wir noch gezögert, als die Krise aufkam, und alles erneut überdacht, auch ob wir jetzt nicht doch besser Arbeitnehmer bleiben. Aber alles war gut vorbereitet. Schließlich hat der  Optimismus gesiegt“, erzählt sich Filoda. Die beiden kennen sich, seit Filoda Schmitz bei einem anderen Handwerksbetrieb zum Maurer ausbildete. Sie stellten fest, dass sie gut miteinander arbeiten können, und beschlossen irgendwann, zusammen ein eigenes Unternehmen zu gründen. Auch Schmitz hat sich im Handwerkskammer Bildungszentrum Münster auf seine Maurermeisterprüfung vorbereitet. Die sollte eigentlich im Mai abgeschlossen sein, aber wurde wegen der Virusgefahr verschoben. Den Schritt in die Selbstständigkeit in Pandemiezeiten bereuen beide nicht. „Es war genau richtig“, freut sich Filoda. Erste Aufträge  kamen rasch – es läuft auf dem Bau, trotz Corona.

 

Maschinenabnahme mit VR-Kamera

Maschinenabnahme mit VR-Kamera
Reiseverbote, Kontaktsperren und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie lassen nicht nur Lieferketten reißen, sondern können darüber hinaus auch die Abnahme von Exportprodukten in andere Länder und ferne Kontinente vor bislang ungekannte Hürden stellen. Die Abnahme ist jedoch Voraussetzung für die Bezahlung. Digitalisierung als Lösung auch für dieses Problem hat das Maschinenbauunternehmen Laubinger + Rickmann für sich entdeckt. Zum Sortiment des Handwerksbetriebs gehören hochkomplexe Maschinen zur zerstörungsfreien Materialprüfung. Kunden sind unter anderem Flugzeug- und Automobilbauer. Bislang reisten Vertreter der Abnehmer aus vielerlei Ländern nach Nordwalde, um in den Werkhallen des Unternehmens ihre fertige Maschine in Augenschein zu nehmen. Das ist derzeit nicht  möglich. Aber wo ein Wille, da ein Weg: Mit einer Virtual Reality (VR) Kamera führt Mitarbeiter Matthias Volpers durch die Finessen der gebauten Maschinen. Der Kunde sieht auf seinem Bildschirm das fertige  Produkt und kann dessen Güte beurteilen. So lassen sich auch jetzt Abnahmen aus dem Ausland von Leistungen bewerkstelligen – und der Betrieb kann Rechnungen für seine Leistungen stellen.

 

Schutzscheiben auf einmal so relevant

Schutzscheiben auf einmal so relevant
Auch bei der Münsteraner Glaserei Heinrich Niggemann schlug die Corona-Krise im März ein. Es war nicht mehr möglich, auf großen Baustellen zu arbeiten; ganze Montagetrupps mussten in Kurzarbeit gehen.  Nicht lange dauerte es jedoch, bis das Telefon nicht mehr stillstand. Inhaber von Praxen, Kanzleien und Läden riefen an. Die meisten Gespräche begannen mit: „Ihr müsst mir helfen!“ Gebraucht wurde auf einmal  eine große Zahl von Trennwänden für Großraumbüros, Infektionsschutzscheiben, Glas zwischen Schreibtischen, vor Theken und so weiter. Das pufferte den plötzlichen Einbruch der Arbeitsauslastung in dem  Handwerksbetrieb ein bisschen ab. Mittlerweile hat der akute Bedarf an Sonderanfertigungen für den Infektionsschutzbedarf wieder nachgelassen. Glasermeister Dirk Niggemann (Bild) ist aber optimistisch:  „Gläserne Trennwände in großen Büros werden wohl auf Dauer Trend. Sie vermitteln Freiraum und moderne Großzügigkeit, aber bieten gleichzeitig Schutz vor Viren bei der nächsten Erkältungswelle.“ Sein Fazit:  „Wir werden gut durch die Krise kommen.“ Dabei hatte er vorher nicht damit gerechnet, dass die Leistungen der Glaser bei der Bekämpfung eines Virus dermaßen relevant sein würden.

 

Nach der Flucht ins Handwerk

Nach der Flucht ins Handwerk
Maurermeister Michael Sannemann (l.) und Joshua Amoah (r.) verbindet eine Erfolgsgeschichte, die von Integration im Handwerk erzählt und wohl noch nicht zu Ende ist. Amoah floh 2015 über Lybien und Italien nach Deutschland. Unterwegs verdiente er sich auf Baustellen Geld und erwarb dabei Fertigkeiten als Verputzer. Als sein Asylantrag abgelehnt wurde, erhielt Joshua in einer Castrop-Rauxeler Gemeinde Kirchenasyl. Engagierte Gemeindemitglieder stellten den Kontakt zu einem Willkommenslotsen der Handwerkskammer Münster, her. Eine Ausbildung im Baugewerbe lag nahe. Die HWK vermittelte den Ghanaer an das Bauunternehmen Sannemann in Waltrop. Nachdem einige bürokratische Hürden gemeinsam überwunden werden konnten, begann Joshua Amoah im März 2019 seine Ausbildung als Mauerer und erhielt  somit eine „Ausbildungsduldung“. Ohne Schulabschluss und ohne gute Deutschkenntnisse arbeitete der junge angehende Handwerker sich mit Fleiß, aber auch Unterstützung des Meisters und von Ehrenamtlern  durch die Berufsschule. Seine Abschlussprüfung im Juli 2020 bestand er mit guten Noten. Er wurde übernommen und hat sich bereits für die Meisterschule angemeldet. Sannemann kann sich eine Übergabe  seines Betriebs an Amoah in den nächsten Jahren gut vorstellen.

 

Betriebsübernahme durchgezogen

Betriebsübernahme durchgezogen
19 Handwerkerinnen und Handwerker haben in Zeiten der Pandemie einen bestehenden Betrieb im Kammerbezirk Münster übernommen und machen als Unternehmer weiter. Einer davon ist Konditormeister  Günther Pfeffer. Er trat mit der „Pfeffer Café Konditorei“ die Nachfolge des Traditionshauses Fischer in Datteln an. „Die Übergabe war von langer Hand geplant und eingeleitet worden“, berichtet Pfeffer, der bereits  2010 eine Konditorei in Unterfranken gründete und mit seiner Frau zurück ins Ruhrgebiet wollte. „Wir haben den Übernahmeprozess nach dem Lockdown durchgezogen. Seit 1. Juni beschäftige ich die acht  Mitarbeiter des Vorgängers weiter. Das Café umfasst 90 Sitzplätze. Von Von März bis Oktober kommt die Außenterrasse mit sechs Tischen dazu. Da wird das jetzige Abstandsgebot zur besonderen  Herausforderung, weil nur noch die Hälfte der Plätze besetzt werden darf. Die Kuchentheke fasst etwa 35 Torten. Dazu kommen Pralinen, Schokoladen und weitere Naschereien. Zusätzlich habe ich einen Online-Shop eröffnet und biete Seminare und Workshops an. So hoffe ich, mit meiner langjährigen Erfahrung als Unternehmer und mit Engagement die Krise zu meistern.“

 

Mit Selbstvertrauen in Selbstständigkeit

Mit Selbstvertrauen in Selbstständigkeit
Für David Baumann ist eine neue Zeit angebrochen: Der Installateur- und Heizungsbauermeister, der seine Meisterprüfung zu Beginn des Lock-downs am 17. März vor der Handwerkskammer Münster abgelegt hat,  setzte seine Existenzgründungspläne Corona zum Trotz in die Tat um. Mit der Eintragung eines eigenen Sanitär-Heizung-Klima-Betriebs in Münster zum 1. Juli in die Handwerksrolle ist er einer von 945  Handwerkerinnen und Handwerkern im Kammerbezirk, die ihre Idee einer Selbstständigkeit zu Pandemiezeiten verwirklichten. Das sind 16 Prozent weniger als von Anfang März bis Ende Juni des Vorjahres. „Ich  habe alles gründlich vorbereitet“, ist sich Baumann sicher. „Der Firmenwagen steht schon vor der Tür und ist zur Einrichtung bereit. Software und die eigene Homepage sind die nächsten Baustellen. Die Fahrt zu  Kunden kann losgehen. Es läuft gut.“

 

Tag des Handwerks: Betriebe filmen Berufsalltag

Tag des Handwerks: Betriebe filmen Berufsalltag
Sharon Jaeschke (r.) von der Münsteraner Metzgerei Philipp Büning zeigtr seinen Moment zum Tag des Handwerks 2020: In einer Filmszene parierte er ein Rinderfilet aus lokaler Produktion – das Prädikat „Der vom  Rinde versteht“ müsse schließlich gewahrt bleiben. Das Video, das währenddessen aufgenommen wurde, hat die Fleischerei auf der zentralen Plattform der Imagekampagne des Handwerks hochgeladen. Der  Film war ein Beitrag zum 24-Stunden-Video-Projekt des 2020 ausschließlich digital stattfindenden Tag des Handwerks. Dessen Motto lautete am 19. September: „Wir lassen uns von Corona nicht ins Handwerk  pfuschen“. Handwerkerinnen und Handwerker im ganzen Land präsentierten darin in vielen kurzen Clips ihr Können. So sollten alle sehen können, was an einem Tag im Handwerk passiert – verteilt auf 24 Stunden.  Veröffentlicht wurden die Filme auf handwerk.de.

 

Meisterschule im virtuellen Raum

Meisterschule im virtuellen Raum
Der Corona-Lockdown hat nur zu einer kurzen Unterbrechung der Meisterschulen im HBZ geführt. Schnell ging es auch für den angehenden Maler- und Lackierermeister Daniel Sarra aus Herten im virtuellen  Raum weiter. Für den Praxisanteil kommt er mittlerweile wieder in die Lehrwerkstatt. Der Rest läuft online. Seit 2017 besucht der 46-Jährige in Teilzeit die Meisterschule der Maler- und Lackierer am HBZ in Münster. Vor der Corona-Pandemie fand der komplette Unterricht im HBZ statt. Im März folgte die Umstellung: „Wir lernen die Theorie zu Hause am Computer an einer digitalen Tafel und kommunizieren über einen offenen Chat  mit den Dozenten“, erklärt Sarra. Für die handwerkliche Weiterbildung unabdingbar bleibt jedoch die Praxis vor Ort. Seit Anfang August findet der Praxis-Unterricht wieder in der Lehrwerkstatt statt. Dort arbeitet  jeder mit Abstand an seinem eigenen Tisch. Trotz strenger Hygieneauflagen und dem Tragen von Mund-Nase-Abdeckung freut sich Sarra über den persönlichen Austausch mit den Dozenten und anderen  Kursteilnehmern. Der Theorie-Unterricht läuft parallel virtuell weiter. Die Anfahrt nach Münster entfällt. „Das spart Zeit. So kann ich mehr Unterrichtseinheiten wahrnehmen und bin flexibler.“

 

Pralinen statt Berufschule

Pralinen statt Berufschule
Als durch Corona die Berufsschule im März unterbrochen wurde, hätte die angehende Konditorin Anna Klaas eigentlich Zwischenprüfung gehabt. Die 19-Jährige lernt im dritten Lehrjahr in der Bäckerei und  Konditorei Thumann in Sassenberg. Statt Schule hieß es mehr Praxisunterricht in der Backstube. Die Zwischenprüfung wurde abgesagt. Das Berufskolleg reagierte schnell und schickte der Konditorenklasse  Unterrichtsmaterial per E-Mail. Anders als in der Schule lief die Arbeit in der Backstube unter strengen Hygienevorschriften vor Ort weiter. Klaas und ihre Kollegen arbeiten seitdem in Schichten auf Abstand und mit  Mund-Nase-Abdeckung. Die ausgefallene Schulzeit nutzte sie für praktische Übungen: „Ich habe handwerklich viel probiert und gelernt Pralinen herzustellen. Das ist nicht einfach und sehr zeitintensiv.“ Seit  August besucht die Auszubildende die Berufsschule in Münster wieder einmal wöchentlich vor Ort. „Das funktioniert sehr gut. Auch der persönliche Austausch mit den Lehrern und Mitschülern ist wichtig“, freut sich Klaas.

 

„HAM“ ist das geflügelte Wort

„HAM“ ist das geflügelte Wort
Eine Quietscheente namens „HAM“ mit Mund-Nasen-Bedeckung ist das Maskottchen, mit dem Carsten Schemberg (l.) bei seinen Beschäftigten für die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen wirbt. „HAM“  steht für Hygiene – Abstand – Maske. An den beiden Standorten des renommierten Ladenbaubetriebs in Mettingen und Ibbenbüren kam das gut an. Seit Beginn der Pandemie war dem Geschäftsführer der  Tischlerei Schemberg klar: „Das müssen wir Ernst nehmen, und ich muss als Chef mit gutem Beispiel vorangehen.“ Er gründete einen Arbeitskreis, der die Umsetzung im Betrieb durchdachte. Alle Beschäftigten wurden über die Maßnahmen informert. In Besprechungsräumen wurden durchsichtige Trennwände montiert, Arbeitsplätze wurden auseinandergezogen, überall stehen Desinfektionsspender. Lüften ist  selbstverständlich, Türen bleiben möglichst offen. Ein- bis zweimal täglich werden Oberflächen, Türklinken und Fahrzeuginnenräume desinfiziert. Gegessen wird nicht mehr in der Kantine, sondern am Arbeitsplatz. Die Teams zwischen den beiden Werken bleiben sicherheitshalber getrennt. Schemberg weiß aber auch, dass die Lösungen einfach und pragmatisch sein müssen, gerade in der Werkstatt: „Wenn die Maßnahmen vernünftig erscheinen, machen alle mit.“ „HAM“ ist zum gefügelten Wort geworden – auch bei Anne Schemberg (M.) und Tessa Dingwerth.

 

Mobil geht‘s weiter

Mobil geht‘s weiter
Das Fotografenhandwerk hat in diesem Jahr von zwei Seiten Druck bekommen: durch mehr Fotoautomaten für Pass- und Ausweisbilder in Behörden und dann durch Corona. Das spürt auch Jörg Effing: „In  meinem Münsteraner Familienbetrieb bleiben seit dem Lockdown im Frühjahr zahlreiche Aufträge für Hochzeits- und Industriefotografie aus. Auch die Kunden im eigenen Studio wurden rar. Damit sind meine Umsätze  massiv weggebrochen. Die Mietund Personalkosten blieben aber. Ich bekam Soforthilfe. Die Überbrückungshilfe klappte jedoch nicht. Ich will nicht stehen bleiben – und bin jetzt mobil für meine Kunden da. Schon  seit Jahren waren wir auch außer Haus im Einsatz. Darauf konzentriere ich mich jetzt. Das ist meine Chance. Den Mitarbeiterstamm musste ich allerdings reduzieren. Der Auszubildende kann seine  Abschlussprüfung vorziehen. Eine Übernahme ist mir aber leider nicht mehr möglich. Auch von meinem Standort musste ich mich schweren Herzens verabschieden. Hauptsache, das Geschäft geht weiter. Ich  mache das Beste daraus“, so der Unternehmer. Seit Anfang November fährt Effing nun zu Kunden und fotografiert in deren Räumen oder draußen.

 

Innovation kommt zur rechten Zeit

Innovation kommt zur rechten Zeit
Frische Luft gehört zu den wichtigsten Maßnahmen gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus, und Geräte zur Reinigung von Raumluft stehen derzeit hoch im Kurs. Da kommt das Produkt „primAero“gerade  zur rechten Zeit auf den Markt. Als der Metallbau-Unternehmer Markus Pöhlitz (Bild) aus Ibbenbüren gemeinsam mit dem Erfinder der PlasmaNorm- Technologie beschloss, diese Innovation anzubieten, dachte  hierzulande noch niemand an eine Viruspandemie. Die Partner arbeiten seit Jahren zusammen. Die Aufgabe des Metallbaubetriebs Pöhlitz in der Kooperation ist der Bau von Anlagen zur Beseitigung von Gerüchen  mit der patentierten „PlasmaNorm“-Technologie. Der Erfinder entwickelte die Idee, das Verfahren auch zur Entfernung von Sporen, Schimmel und Bakterien aus der Luft einsetzbar zu machen. Viren waren zunächst  nicht im Blick. Als kurz darauf Corona um die Welt ging, ließen die Partner die Zerstörung von Viren wissenschaftlich testen – mit positivem Ergebnis! Pöhlitz: „Ich sehe in der Produktion und  Vermarktung des PrimAero eine große Chance gemeinsam mit meinen 30 Mitarbeitern dazu beizutragen, Raumluft gesünder zu machen und die Pandemie einzudämmen.“

 

Keine Kontakte durch Kosmetik

Keine Kontakte durch Kosmetik
Die Corona-Novemberhilfen stehen im Kammerbezirk Münster rund 2.000 Kosmetikbetrieben zu, die zur Kontakteinschränkung derzeit keine kosmetischen Dienstleistungen erbringen dürfen. Ihnen werden  Zuschüsse pro Woche der Schließung in Höhe von 75 Prozent des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes im November 2019 gewährt. Bei Bedarf können die Zuschüsse durch den Schnellkredit ergänzt  werden. Trotz der Hilfen empfindet Raphaela Imort (r.), die in Münster zwei Kosmetikinstitute betreibt, die Situation als hart. „Ich hoffe nun, dass das Dezembergeschäft nicht vollends verboten wird. Das würde die  Lage nochmals erschweren. Vor Weihnachten ist eigentlich unsere umsatzstärkste Zeit des Jahres.“ Die Unternehmerin ist allerdings aktiv und federt den Wegfall ihres Arbeitsfeldes durch den Aktionsverkauf von  Kosmetikprodukten und die Ausübung der Fußpflege ab – und hofft auf bessere Zeiten. Acht Mitarbeiterinnen sind in Kurzarbeit, darunter Masha Hörmeyer (l.).

 

Angewandte Kunst im Laden

Angewandte Kunst im Laden
Die Arbeitsgemeinschaft Angewandte Kunst Münster musste ihre November-Verkaufsausstellung „Blickpunkte“ auf Haus Kump der Handwerkskammer Münster wegen der aktuellen Corona-Lage absagen. Die  Handwerker, Designer und Künstler, die sich in der Arbeitsgemeinschaft vereint haben, sind aber trotzdem für ihre Kunden erreichbar. Sie laden stattdessen in ihre jeweiligen Werkstätten und Ateliers ein – mit  Maske und Abstand nach Anmeldung. So zeigt jeder einzeln, was er in den Werkbereichen Edelmetall, Holz, Keramik, Stahl, Stein, Papier, Grafik oder Textil, in den vergangenen Monaten geschaffen hat. Eine der  Kreativen ist Goldschmiedemeisterin Gabriele Gote aus Billerbeck, die in diesem Jahr auf 30 Jahre Goldschmiede zurückblickt und diesen Anlass auch gern gefeiert hätte. Sie entschloss sich nun zu einer Spende für einen guten Zweck.

 

Botschafter für die Ausbildung

Botschafter für die Ausbildung
Bei Schülerinnen und Schülern Begeisterung fürs Handwerk wecken, das wollen 53 Auszubildende, die in diesem Jahr an einem Training der Handwerkskammer Münster für Ausbildungsbotschafter  teilgenommen haben. Damit verstärken sie die Teilnehmer der Vorjahre; insgesamt stehen 140 aktive Ausbildungsbotschafter für Einsätze an Schulen bereit. Ihr Ziel: Jugendlichen über ihre eigene Berufswahl und Erlebnisse im  Handwerk berichten und über den Ablauf und die Zukunftsperspektiven einer Ausbildung informieren. Trotz Corona mit Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen im Frühjahr konnten 56 Termine mit 1.100  Schülern durchgeführt werden. Vier Einsätze waren bei Schulen mit entsprechender technischer Ausstattung online möglich. So beantwortete Robin Graes aus Nottuln (Bild) als neuer Ausbildungsbotschafter über  ein Konferenzsystem Fragen von Neuntklässlern. Zugeschaltet war er bei seinem Ausbildungsbetrieb, Schaltplan in Münster, wo er im dritten Lehrjahr zum Elektroniker tätig ist. Graes hätte einen Termin zur  Berufsorientierung in Präsenz besser gefunden, aber hält auch die Alternative für gut machbar. Er hofft auf mehr Einsätze in 2021.

 

„HandWerkStatt“erstmals in Schulen

„HandWerkStatt“erstmals in Schulen
Berufsfelder des Handwerks in Zeiten von Corona erkunden – zwei Münsteraner Schulen und die Handwerkskammer (HWK) Münster ermöglichten es zusammen mit dem zdi-Zentrum: In der Aktion  „HandWerkStatt“ konnten rund 240 Schülerinnen und Schüler herausfinden, welche Talente in ihnen stecken. Sie erfuhren sich selbst bei handwerklichen Tätigkeiten wie Hämmern, Schrauben, Nähen, Malen,  Verkabeln und Reifenwechseln. So lernten die Jugendlichen in zwei Tagen elf Berufsgruppen spielerisch kennen und entdeckten ihr Können – mit Abstand und Einhaltung aller Hygienevorgaben. Auszubildende und  Meister von fünf Handwerksbetrieben und dem HBZ Münster betreuten sie an unterschiedlichen Stationen. Erstmalig fand die „HandWerkStatt“ nicht im Bildungszentrum HBZ Münster statt. Den Anfang machen die  achten Klassen des Gymnasiums Paulinum. Zwei Wochen später war der neunte Jahrgang der Erich-Klausener-Realschule dran. Die Handwerkskammer freut sich über das Engagement der Schulen, nachdem  die Betriebspraktika im Frühjahr weitgehend ausgefallen sind. Auch die Ausbildungsvermittler und Ausbildungsbotschafter der HWK konnten kaum  Schulen besuchen. Die Hoffnung war, dass sich viele Jugendliche fürs Handwerk interessierten und betriebliche Praktika vergeben werden könnten.